Sind Goldgeschenke zu einer türkischen Hochzeit von den Schwiegereltern nach der Scheidung zurückzugeben?

Urteil des Landgericht Limburg vom 12.3.2012, 2 O 384/10

Das Landgericht Limburg hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob türkische Ehefrauen ihre zur Hochzeit von den Schwiegereltern erhaltenen Goldgeschenke nach der Hochzeit zurückgeben müssen.

Das Landgericht kommt zu der Auffassung, dass es sich um keinen „groben Undank“ gegenüber dem Schwiegervater oder dem Ehemann handelt, selbst, wenn die Trennung nach kurzer Zeit erfolgt und keine Verletzung der ehelichen Treuepflichten feststehen.

Das Landgericht betonte, dass für die rechtliche Entscheidung es keine Beachtung findet, ob die Trennung für den Schwiegervater ein Verlust der Ehre bedeutet oder in dem Kulturkreis von der Unauflöslichkeit der Ehe ausgegangen wird.

Prinzipiell gilt in der Rechtsprechung, dass Schenkungen von Schwiegereltern an das Schwiegerkind wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage zurückgefordert werden können. Das gilt laut dem Landgericht jedoch nicht für Goldgeschenke, da diese eine „Brautgabe“ darstellen und somit der Absicherung der Ehefrau für den Fall des Scheiterns der Ehe dienen, so die islamischen Rechtsgrundsätze.

Zum Beschluss

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Gegenstandswert des Rechtsstreits wird endgültig auf 11.976,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt Herausgabe bzw. Schadensersatz für anlässlich einer Hochzeit übergebene Goldgeschenke.
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Die Beklagte heiratete den Sohn des Klägers. Die Hochzeitsfeier fand am 21.11.2009 statt.
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Anlässlich der Hochzeitsfeier erhielten entweder die Beklagte oder aber die Brautleute Schmuck und Goldmünzen als Geschenk, u. a. auch vom Kläger. Der Ehemann der Beklagten mietete bei der Sparkasse … am 24.11.2009 ein Schrankfach an. Insoweit wird auf den vorgelegten Mietvertrag mit der Sparkasse … vom 24.11.2009 (Bl. 6 d.A.) Bezug genommen.
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Durch Mietvertrag vom 08.01.2010 mit der Sparkasse … mietete der Ehemann der Klägerin ein weiteres Schrankfach bei der Sparkasse … an (Bl. 7 d.A.). Es heißt in dieser Vereinbarung:
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„Der Mieter erteilt hiermit gemäß den Bedingungen für die Vermietung von Schrankfächern über den Tod hinaus folgende Vollmacht, das Schrankfach zu öffnen und mit dessen Inhalt in gleicher Weise zu verfahren, wie er selbst
6
1. Frau …”
7
Die Vereinbarung über die Vermietung der Schrankfaches sollte nach dem Inhalt der Vertragsurkunde den Mieter zur Aufbewahrung von Sachen im Gesamtwert von höchstens 10.300,00 € berechtigen.
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Im Januar 2010 trennten sich die Eheleute. Die Beklagte entnahm einem der Schrankfächer bei der Bank den Goldschmuck (Nutzungsprotokoll des Schrankfachs, Bl. 8 d.A., das handschriftliche Datum ist nicht lesbar).
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Die Klägervertreterin widerrief mit Schreiben vom 22.02.2010 namens des Klägers die Schenkung an die Beklagte gem. § 530 BGB (Bl. 9 d.A.). In diesem Schreiben heißt es:
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„Mein Mandant hat die Kenntnis davon erlangt, dass das im gemeinsamen Eigentum stehende Gold aus dem Tresor der Sparkasse von Ihnen entwendet wurde. Dieses Gold wurde zu 80 % von meinem Mandanten an Sie und ihrem Ehemann geschenkt. Aufgrund der Tatsache, dass sie eigenmächtig über das im gemeinsamen Eigentum befindliche Gold verfügt haben, hat mein Mandant mich damit beauftragt, die Schenkung gem. § 530 BGB zu widerrufen. In diesem Zusammenhang habe ich Sie aufzufordern, das Gold bis spätestens zum Mittwoch, 24.02.2010 herauszugeben.”
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Die Beklagte reagierte auch nicht auf die Aufforderung mit Anwaltsschreiben vom 09.03.2010 (Bl. 10 d.A.).
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Der Kläger behauptet, den in den Klageanträgen näher bezeichneten Goldschmuck selbst im Verlauf mehrerer Jahre erworben und sowohl seinem Sohn als auch seiner Schwiegertochter geschenkt zu haben. Er macht geltend, die Schenkung sei zurückgenommen worden, weil das Geld für die Ehe zweckgebunden gewesen sei. In türkischen Familien sei es Sitte, Brauch und Kultur, dem Sohn anlässlich einer Hochzeit Gold für die gemeinsame Zukunft und den Aufbau einer gemeinsamen Partnerschaft zu schenken. Da die Eheleute sich getrennt hätten, verlange der Kläger als Vater berechtigterweise das Gold wieder zu seinen Händen zurück.
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Der Kläger sei auch aktivlegitimiert, da das geschenkte Gold als sog. „Morgengabe” an die Brautleute anlässlich der Hochzeit geschenkt worden sei und zwar ausschließlich für die Ausgestaltung, Erhaltung und Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft. In der türkischen Kultur werde das Gold für die eheliche Zukunft geschenkt. Das Gold werde aber nicht der Ehefrau, sondern den Eheleuten geschenkt, so dass auch der Schenker den Anspruch auf Rückgabe habe, wenn diese Bedingungen nicht erfüllt werden. Das Gold sei über Jahre hinweg immer wieder gekauft worden, damit bei einer möglichen Heirat eines Sohnes das Gold weiterverschenkt werden könne. Die Übergabe der Münzen und der Armreifen sei nach einem bestimmten Ritual während der Hochzeitsfeier erfolgt. Bei der Hochzeit des Sohnes habe die Goldübergabe auf der später genutzten Tanzfläche stattgefunden. Die Gäste hätten das Brautpaar umstanden, während das Gold übergeben worden sei. Der Kläger habe das Gold dem Brautpaar und nicht nur der Beklagten geschenkt. Er habe auch zu den neben dem Brautpaar stehenden Trauzeugen erklärt: „Das ist für euch beide!“ Hierbei habe er gemeint, dass das Gold für die gemeinsame Zukunft geschenkt werde. Anschließend hätten die Trauzeugen entsprechend der türkischen Tradition und Kultur das gesamte Gold von der Hochzeitsfeier in die Ehewohnung getragen. Es handele sich bei dem verschenkten Gold nicht um spezielle Schmuckstücke, die nur die Beklagte anlässlich der Hochzeit erhalten habe.
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42 Goldmünzen seien nach der Hochzeit in die Wohnung und dann sofort von der Beklagten und ihrem damaligen Ehemann zur Sparkasse nach … gebracht worden.
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Weiter behauptet der Kläger, den Polterabend, die Hochzeit wie auch die Ausstattung der Braut und des Bräutigams finanziert zu haben. Darüber hinaus hätten die Eheleute anlässlich der Hochzeit Geldgeschenke in einer Höhe von etwa 12.550,00 € erhalten. Von diesen Geldgeschenke sei die Hochzeitsfeier vor Ort in bar bezahlt worden, deren Kosten insgesamt 11.900,00 € betragen hätten. Es sei üblich, dass bei türkischen Hochzeiten Geldgeschenke in bar erfolgten. Ferner sei üblich, dass von diesen Geldern die Hochzeitsfeier bezahlt werde.
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Die Beklagte sei nicht aus der Wohnung des Ehemanns heraus geworfen worden. Vielmehr sei sie freiwillig aus der Wohnung ausgezogen. Ihr sei alles ausgehändigt worden, was ihr gehört habe bzw. was die Eltern für die gemeinsame Wohnung gekauft hätten. Der frühere Ehemann habe lediglich Kleidungsstücke zurückgehalten, weil er zunächst mit der Rückkehr seiner Ehefrau gerechnet habe.
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Wegen des übrigen Vorbringens des Klägers wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 23.09.2010 (Bl. 1 ff. d.A.), 10.01.2011 (Bl. 24 ff. d.A.), 09.02.2011 (Bl. 44 f. d.A.), 14.06.2011 (Bl. 77 ff. d.A.) und 19.09.2011 (Bl. 117 d.A.) Bezug genommen.
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Der Kläger hat zunächst beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, Gold im Wert von 11.976,00 € an den Kläger herauszugeben;
 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.976,00 € als Schadensersatz zu leisten, sollte die Beklagte nicht mehr im Besitz des Goldes sein;
 3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 837,52 € nebst 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Im Schriftsatz vom 10.01.2011 (Bl. 24 d.A.) hat der Kläger Klägerin den Klageantrag zu Ziff. 1 ergänzt und nunmehr beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, 7 x Bruma Bilezek á 20 g, Preis pro Stück 600,00 € = 4.200,00 €, 20 x Cumhuriye Altini á 7,20 g, Preis pro Stück 230,40 € = 4.608,00 €, 1 x Gramise á 16 g (Preis: 480,00 €, 3 x Yarim Altim á 3,50 g, Preis pro Stück 112,00 € = 336,00 € und 42 (Goldmünzen) Modell Ceyrek Altin á 1,75 g, Preis pro Stück 56,00 € = 2.352,00 €
 im Gesamtwert von 11.976,00 € an den Kläger herauszugeben
 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.976,00 € als Schadensersatz zu leisten, sollte die Beklagte nicht mehr im Besitz des Goldes sein;
 3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 837,52 € nebst 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
22
Im Schriftsatz vom 09.02.2011 hat der Kläger den Antrag über das Herausgabebegehren hinsichtlich der 42 Münzen zurückgenommen und erklärt, der Klageantrag werde im Übrigen aufrechterhalten.
23
Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß,
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1. die Beklagte zu verurteilen 7 x Bruma Bilezek á 20 g, Preis pro Stück 600,00 € = 4.200,00 €, 20 x Cumhuriye Altini á 7,20 g, Preis pro Stück 230,40 € = 4.608,00 €, 1 x Gramise á 16 g (Preis:) 480,00 € und 3 x Yarim Altim á 3,50 g, Preis pro Stück 112,00 € = 336,00 € im Gesamtwert von 9.624,00 € an den Kläger herauszugeben;
 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.624,00 € als Schadensersatz zu leisten, sollte die Beklagte nicht mehr im Besitz des Goldes sein;
 3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 837,52 € nebst 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, es habe sich bei den Goldgeschenken nicht ausschließlich um Geschenke des Klägers gehandelt. Insbesondere seien die 42 Goldmünzen Geschenke von weitläufigen Verwandten, Nachbarn und Bekannten der Brautleute gewesen. Die Goldgeschenke im Zusammenhang mit einer „Morgengabe” dienten nach der türkischen Kultur ausschließlich der Absicherung der Ehefrau für den Fall der Scheidung der Ehe. Die 42 Münzen seien nach der Trennung der Eheleute in der Wohnung verblieben.
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Das Paar habe sich aber nicht konfliktfrei getrennt. Ihr damaliger Ehemann sei ihr gegenüber gewalttätig geworden. Er habe sie bedroht und beleidigt. Deshalb sei sie am 18.01.2010 mit dem Rettungswagen in die Klinik verbracht worden. Diese Begleitumstände und die Auflösung der Ehewohnung hätten auch zu erheblichen Konflikten zwischen den Familien beider Parteien geführt. Die Kosten für den Polterabend und die Ausstattung des Bräutigams sei nicht vom Kläger, sondern vielmehr vom Vater der Beklagten bezahlt worden.
29
Die Beklagte behauptet weiter, der Kläger habe am Hochzeitstag sämtliche Geldgeschenke, die den Eheleuten von Hochzeitsgäste übergeben worden seien, an sich genommen. Hierbei handele es sich um einen Betrag in Höhe von 20.000,00 €. Die Beklagte vertritt die Ansicht, ihr stehe an dem Geld mindestens ein Anteil von 50 % zu und hat insoweit hilfsweise die Aufrechnung gegenüber der Klageforderung erklärt.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten wird auf den Inhalt der Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 01.12.2010 (Bl. 15 ff. d.A.) und 18.01.2011 (Bl. 31 ff. d.A.) Bezug genommen.
31
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 25.02.2011 (Bl. 49 d.A.), 16.06.2011 (Bl. 82 d.A.) und 26.08.2011 (Bl. 96 d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens der Sachverständigen … vom Institut für Turkologie … vom 27.04.2011 (Bl. 61 ff. d.A.) sowie das Ergänzungsgutachten vom 16.09.2011 (Bl. 111 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist, soweit sie nicht zurückgenommen wurde, unbegründet.
33
Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 09.02.2011 den Antrag hinsichtlich des Herausgabeanspruchs über die 42 München zurückgenommen und erklärt hat, „der Klageantrag werde im Übrigen aufrechterhalten“, hat das Gericht den Antrag dergestalt aus gelegt, dass sich sowohl der im Klageantrag bezifferte Gesamtwert des Goldes von ursprünglich 11.976,00 € um die zurückgenommenen 42 Goldmünzen zum seinerzeit bezifferten Gesamtwert von 2.352,00 € auf 9.624,00 € reduziert und sich diese Reduktion trotz der Formulierung „der Klageantrag werde im Übrigen aufrechterhalten” sich letztlich auch auf den Schadensersatzanspruch bezieht, weil dieser deckungsgleich mit dem bezifferten Wert der herausverlangten Schmuckgegenstände war und ist. Andernfalls ergäbe die Klagerücknahme keinen Sinn.
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Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Herausgabe der Goldgeschenke, noch ein Anspruch auf Schadensersatz zu.
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Soweit der Kläger sich im Hinblick auf mögliche Rückabwicklungstatbestände auf sein früheres Eigentum und einen Herausgabeanspruch gem. § 985 BGB berufen möchte, bleibt bereits offen, ob er eine entsprechende Erklärung, die Auswirkungen auf die Beendigung des Eigentums haben könnte, auch gegenüber seinem Sohn erklärt hat. Denn der Kläger hat die Klage gegen die Beklagte gerichtet, zugleich aber geltend gemacht, das Gold sei sowohl der Beklagten als auch seinem Sohn geschenkt worden.
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Aus dem gleichen Grund hätten zu einem schuldrechtlichen Rückabwicklungsanspruch führende Gestaltungserklärungen gegenüber den beiden, nach seinem Vortrag beschenkten Personen erfolgen müssen. Es ist ferner nicht behauptet worden oder vorgetragen worden, dass der Sohn den Kläger zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Gesichtspunkt des Miteigentums ermächtigt hätte.
37
Letztlich kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil dem Kläger aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Rückabwicklung der Schenkung zusteht, und zwar gleichgültig, an wen die Schenkung tatsächlich erfolgt ist.
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1. Ein Anspruch auf Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks gem. § 530 BGB kommt nicht in Betracht. Nach § 530 Abs. 1 BGB kann eine Schenkung widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder eines nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig gemacht hat.
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Der Beschenkte muss sich einer groben Verfehlung gegenüber dem Schenker oder dessen Angehörigen schuldig gemacht haben. Diese muss sich gezielt gegen den Schenker oder dessen Angehörigen richten. Subjektiv ist darüber hinaus eine tadelnswerte, auf Undank deutende Gesinnung erforderlich, die sich durch das Verhalten offenbart (BGH NJW 1992, S. 183; NJW 1999, S. 1623). Damit muss die Verfehlung vorsätzlich erfolgen. Die Schwere der Verfehlung setzt ein gewisses Maß voraus (BGH NJW 2002, S. 2461).
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Ein solches Verhalten ihm gegenüber hat der Kläger nicht behauptet. Er stützt, wie sein Vorbringen zu verstehen ist, die Verfehlung ihm gegenüber erkennbar auf die Tatsache, dass die Beklagte sich von seinem Sohn getrennt hat. Allein in der Trennung der Frau von ihrem Mann liegt aber keine schwere, sittliche Verfehlung gegenüber dem Schwiegervater. Auch wenn bestimmte religiöse oder kulturelle, auch abendländische Überzeugungen von der Unauflöslichkeit der Ehe ausgehen und die Trennung von dem Kläger nach den Traditionen seiner Kultur möglicherweise als Verlust der Ehre angesehen wird, könnten diese Grundsätze nach dem Wertsystem des Grundgesetzes in dessen Geltungsbereich keine Berücksichtigung finden.
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Die Trennung ist auch nicht als grober Undank gegenüber dem verlassenen Ehepartner anzusehen, der nach § 530 Abs. 1 BGB als naher Angehöriger anzusehen ist. Zwar kann ein ehewidriges Verhalten grundsätzlich geeignet sein, einen derartigen groben Undank gegenüber dem Ehepartner zu begründen. Dies erfordert jedoch besondere Umstände (BGH NJW 1999, S. 1623).
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Allein die Trennung von dem Ehepartner ist nicht als solche Eheverfehlung anzusehen. Dass die Beklagte sich etwa einer schweren Verfehlung ihre ehelichen Treuepflicht gemäß § 1353 BGB schuldig gemacht haben könnte, ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte auf die aus welchen Gründen auch immer stattgefundene zeitnah nach der Heirat erfolgte (die Ehe dauerte offensichtlich nur mehrere Monate) Zerrüttung der Ehe abgestellt und dies, wenn auch bestritten, insbesondere mit gewalttätigen Übergriffen ihres Ehemannes begründet..
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Dass die Beklagte sich im Verhältnis zu ihrem Ehemann an dem Gold vergriffen haben soll, begründet für sich genommen auch keinen groben Undank, da, wie noch auszuführen sein wird, die Beklagte davon ausgehen durfte, das Gold diene im Hinblick auf die Beendigung der Ehe zunächst übergangsweise dem Schutz vor dem Verfall in Mittellosigkeit.
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2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus dem Gesichtspunkt der Zweckverfehlungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 2 2. Alternative BGB oder aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 und Abs. 2 BGB.
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Die Zweckverfehlungskondiktion nach der genannten Vorschrift beruht auf dem Grundgedanken, dass die Beteiligten dem künftigen Eintritt von der bloßen Erfüllung einer Verbindlichkeit abweichende besonderen Erfolges rechtlicher oder tatsächlicher Natur als Zweck der Zuwendung und damit als Behaltensgrund vereinbaren können. Wegen dieser Zielrichtung kann der Leistungszweck an den Eintritt des Erfolges gebunden werden. Damit liegt der in § 812 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Rechtsgrund in dem Eintritt dieses Erfolges. Insoweit kann unter bestimmten Umständen die Schenkung eines Elternteils an das Kind oder der Schwieger Kind in Ansehung des Fortbestandes der Ehe der Zweck des Rechtsgeschäftes sein.
46
Nach der Rechtsprechung des BGH sollen Zuwendungen der Schwiegereltern an das Schwiegerkind nach der neueren Rechtsprechung des BGH als Schenkung zu qualifizieren sein (BGH NJW 2010, S. 2202 (2884)). Neben den Voraussetzungen der §§ 527, 528 und 530 hat § 313 BGB einen Anwendungsbereich, wenn der Bestand die Geschäftsgrundlage für die Schenkung war, was auch für Schenkungen vor dem Eheschließungstermin gilt. Hierbei hat der BGH auf die Abwägungskriterien zurückgegriffen, die nach seiner früheren Rechtsprechung zu sog. „unbenannten Zuwendungen“ aufgestellt wurden (BGH NJW 2010, S. 2202). Rückforderungsansprüche kommen danach bei Scheitern der Ehe allerdings nur in Betracht, wenn die Beibehaltung der bestehenden Vermögensverteilung mit Treu und Glauben unvereinbar und unzumutbar wäre (BGHZ 129, S. 263; BGH NJW 1999, S. 353; BGH NJW-RR 2006, S. 664).
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Es bestehen bereits vor diesem Hintergrund Zweifel, ob allein das Scheitern die im Hinblick auf die Goldgeschenke und die Beibehaltung der Vermögensverteilung, insbesondere die Überlassung des Goldes an die Beklagten mit Treu und Glauben unvereinbar und unzumutbar ist. Solche Ausnahmefälle bestehen in der Regel beispielsweise dann, wenn die Schwiegereltern oder ein Schwiegerelternteil den Eheleuten bzw. dem Schwiegerkind zur Schaffung eines Familienheims erhebliche Zuwendungen machen, etwa wenn den Eheleuten je zur Hälfte ein Grundstück zur Bebauung oder ein Hausgrundstück schenkweise übereignet wird, sich die Eheleute trennen und das Schwiegerkind zwar auszieht, aber noch Miteigentümer des Grundstücks bleibt.
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Selbst wenn man mit dem Kläger davon ausginge, dass der Goldschmuck für die gemeinsame eheliche Zukunft der Eheleute sein sollte, die Investitionen in die gemeinsame eheliche Zukunft aber nicht oder nicht in der Form stattgefunden haben, weil die Ehe vorher scheitert oder das Scheitern der Ehe nach erfolgter Investitionen in die gemeinsame eheliche Zukunft stattfindet, so würde die Zuweisung des Eigentums bei den Eheleuten oder dem Schwiegerkind auch unter Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung in einem Fall wie diesem nicht zu einem mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarenden unbilligen und unerträglichen Ergebnis führen.
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Jedenfalls ist aber nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme der Fortbestand der Ehe vor dem Hintergrund der kulturellen Vorstellungen der Beteiligten gerade nicht Zweck der Zuwendung gewesen.
50
Dies folgt aus dem ethnologischen Gutachten der Sachverständigen ….
51
Die Sachverständige hat erklärt, dass finanzielle und andere Austauschgaben, die im Zusammenhang mit einer geplanten Hochzeit oder während der Hochzeitsfeier gemacht werden, aus anthropologischer Perspektive einer der beiden Kategorien angehören, nämlich entweder „Mitgift“ oder „Brautpreis“. Sie werden damit von der Familie der Braut mit in die Ehe eingebracht oder von der Familie des Bräutigams an die Braut in ihrer Familie gegeben. Ein derartiger Brautpreis existiert in der türkischen Kultur in 2 Formen: Entweder Geld, das an die Familie der Braut gezahlt wird, und dort die Bezeichnung „basilk” trägt und Geld oder Gold, das in den Besitz der Braut übergeht.
52
Die Sachverständige hat im Hinblick auf die Frage, welche kulturellen Vorstellungen dem Kulturkreis der Beteiligten vorherrschen zunächst auf den nach dem Islam gesetzten rechtlichen Rahmen, auch „Scharia“ genannt, abgestellt. Dieser rechtliche Rahmen enthalte zahlreiche familienrechtliche Vorgaben. Zwar werde in der türkischen Republik auf der Ebene der staatlichen Rechts ein säkulares Rechtssystem nach europäischen Vorbildern praktiziert. Dennoch hätten die Vorgaben der Scharia und die Vorstellungen über richtiges und falsches Handeln die türkische Bevölkerung stark beeinflusst. Da es im islamischen Recht keine eheliche Gütergemeinschaft gebe, werde entweder dies schriftlich in einem Vertrag festgehalten oder nach einem Brauch festgelegt, dass zugunsten der Braut zur Hochzeit die Gold- oder Goldgeschenke auf Basis der arabischen Begrifflichkeit „mahr” im Sinne einer „Brautgabe“ ausschließlich in ihrem Besitz übergingen.
53
Nach einer hanefitischen Rechtsauslegung, die in der Türkei früher gültig gewesen sei, werde zusätzlich ein Betrag vereinbart, der nach einer Scheidung an die Ehefrau ausgezahlt werde. Während der Ehe sei die Frau berechtigt, frei über ihren Besitz zu entscheiden, wogegen der Unterhalt der Familie dem Ehemann obliege. Die Regelung der Brautgabe, die im türkischen „mehir” genannt werde, werde auch in der Gegenwart in religiös orientierten Familien so gehandhabt. Zu dieser Frage würden Webseiten des türkisch-islamischen Blogs ausführliche Informationen bereitstellen.
54
Gold oder Schmuck, wer der Braut übergeben werde, gehöre ihr selbst. Nach der Rechtsprechung des türkischen Kassationshofes sei allerdings festzustellen, dass Schmuck um Goldgeschenke im Falle der Scheidung grundsätzlich an die geschiedene Ehefrau auszuhändigen seien (Kassationshof der türkischen Republik, Entscheidung E 2004/4-249, K. 2004/247 vom 05.05.2004) Danach werde Goldschmuck, der einer Frau während der Hochzeit umgehängt werde, als ihr geschenkt angesehen, unabhängig davon, wer den Schmuck gekauft habe. Dieser müsse ihr im Fall der Scheidung zurückgegeben werden. Nur wenn sie den Schmuck ihren Ehemann übergeben habe und mit ihren Willen ein Verständnis Dinge für den Hausstand gekauft worden seien und der beklagte Ehemann dies beweisen könne, sei er von der Pflicht zur Rückgabe befreit.
55
Die Sachverständige ist vor dem Hintergrund der ausführlich begründeten Stellungnahme, der die Kammer folgt, unter Berücksichtigung der islamischen Grundsätze und der Rechtsprechung der türkischen Obergerichte zu dem Ergebnis gekommen, dass Goldgeschenke in der Regel der Absicherung der Ehefrau dienen, insbesondere im Falle der Scheidung. Dies schließt bereits die Annahme eines mit dem Rechtsgeschäft bezweckten Erfolges im Sinne der klägerischen Behauptung und auch die Annahme des Fortbestandes der Ehe als Behaltensgrund und damit eine Rückgabegabeverpflichtung für den Fall des Scheiterns der Ehe aus.
56
Hiergegen hat der Kläger (Ss v. 14.06.2011, Bl. 77 ff. d.A.) eingewandt, im Kulturkreis der Familie des Klägers werde die „Morgengabe” anders gehandhabt. Im Fall einer Eheschließung seines Neffen vor geraumer Zeit, habe es eine Morgengabe gegeben. Auch in diesem Fall hätte das Brautpaar Gold für die gemeinsame Zukunft erhalten.
57
Die Sachverständige hat in ihrem Ergänzungsgutachten zunächst erläutert, dass der Begriff „Morgengabe“ nicht von ihr berücksichtigt worden sei, da es sich hier um eine ehebezogene Zuwendung des Mannes an seine Ehefrau handele, wobei sich der Begriff der Morgengabe ursprünglich auf den Zeitpunkt der Schenkung, nach vollzogener Hochzeitsnacht beziehe.
58
Im vorliegenden Fall gehe es jedoch um den Begriff „Brautgabe“ die auf die Schenkungsrichtung verweise und nichts über den Zeitpunkt aussage. Die „Morgengabe” dürfe deshalb nicht mit der „Brautgabe” verwechselt werden. In der türkischen Kultur gebe es den Begriff der „ceyik” im Sinne einer Mitgift, wobei es sich um Sachen handelt, die von der Braut und ihrer Familienhausstand eingebracht werde.
59
Des Weiteren gebe es den Brautpreis, auf Türkisch „basilik“, die von der Familie des Bräutigams als Entschädigung für den Verlust der Arbeitskraft der Tochter eine Familie der Braut gezahlt werde und nicht an die Braut selbst. Diese Art des Brautpreises sei in der Türkei verboten.
60
Darüber hinaus existiere noch der Begriff „taki“. Dieser Begriff sei wörtlich in das deutsche dahingehend zu übersetzen als das, „was angesteckt oder umgehängt wird“. Im weiteren Sinne könne der Begriff alle Geschenke einschließen, die den Brautleuten während der Hochzeitsfeier vor den Augen aller umgehängt würden oder in Form von Geld einem Familienmitglied übergeben oder mit Nadeln angesteckt würde. Nach der türkischen Rechtsprechung sei allerdings vom Kassationshof der türkischen Republik entschieden worden, dass auch der Schmuck, die dem Bräutigam umgehängt werde, aufgrund regionaler Besonderheiten der Braut gehöre (T.C. Yargitay 2. Hukuk Dairesi, E. 1995/10121, K. 1995/11061, Urt. vom 26.10.1995). Hieran ändere sich auch nichts, wenn die Ehefrau berufstätig sei.
61
Soweit der Kläger eingewandt hat, in der von ihm bewohnten Region würde die Angelegenheit anders gehandhabt, so treffe es zu, dass bei Geschenken an die Braut, viele lokale Bräuche existierten, bei denen die Braut im Verlauf der Verlobung die Schließung mit Gold, Geld oder Schmuck beschenkt werde. Soweit es um die angesteckten Schmuckgeschenke („taki“) während der Hochzeitsfeier gehe, könne man indes von einer stabilen Situation sprechen. Während großer Hochzeiten in Deutschland handele es sich bei Person mit türkischem Migrationshintergrund beim Übergeben der Goldgeschenke auch um ein Kernpunkt des Festes. Diese allgemeine Beurteilung stimmt auch mit dem Vortrag des Klägers überein, der erläutert hat, über die Hochzeit und auch die Übergabe der Goldgeschenke sein Video gedreht worden, dessen Vorlage und Inaugenscheinnahme er zu Beweiszwecken angeboten hat.
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Ferner hat die Sachverständige ausgeführt:
63
Wenn man von einem Brauch im Sinne einer sich regelhaft wiederholenden Vorgehensweise spreche, sei es auch Brauch, dass der Ehemann das Gold in einem Schließfach auf seinen Namen deponiere und der Schmuck verkauft werde, um Investitionen zu tätigen oder Schulden zu bezahlen. Diese Handhabung bedeute aber nach allgemeinem empfinden oder Rechtslage nicht, dass er hierzu berechtigt sein.
64
Das Gericht ist vor dem Hintergrund der nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen überzeugt, dass vor dem Hintergrund der kulturellen Vorstellung der Parteien das ihr oder den Brautleuten übergebene Gold dem Zweck diente, die Ehefrau und damit die Beklagte für den Fall des Scheiterns oder der Scheidung der Ehe abzusichern. Diese Grundsätze dürfen im vorliegenden Streitfall angewendet werden, weil für die Frage, welche Vorstellungen die Parteien im Zusammenhang mit der Prüfung des mit dem Rechtsgeschäft bezweckten Erfolges gemäß § 812 Abs. 2 BGB oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB hatten, die Vorstellungen des Kulturkreises, aus denen die an dem Rechtsgeschäft Beteiligten stammen, von Bedeutung sind.
65
Auf diese Grundsätze eines fremden Kulturkreises darf dann abgestellt werden, wenn es auf die Frage ankommt, welche Vorstellungen sie bei einem Rechtsgeschäft zur Geschäftsgrundlage gemacht haben, solange diese Grundsätze nicht gegen das Wertesystem des Grundgesetzes verstoßen. Dies ist aber nicht der Fall, wenn die besonderen kulturellen Regeln dem Schutz der Ehefrau von Mittellosigkeit für den Fall der Scheidung dienen.
66
Nach alledem geht das Gericht jedenfalls nicht davon aus, dass eine nach den Gesichtspunkten der Geschäftsgrundlage oder aus dem Gesichtspunkt der Zweckverfehlungskondiktion bestehende Rückforderungsanspruch des Klägers besteht.
67
Des weiteren ist der Anspruch des Klägers auf Geltendmachung der vorgerichtlichen Anwaltskosten unbegründet, weil dem Kläger kein Anspruch gegen die Beklagte Zustand.
68
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO bzw. § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO, soweit die Klage zurückgenommen wurde.
69
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre rechtliche Grundlage in § 708 Nr. 11 ZPO.
70
Der Gegenstandswert war entsprechend dem Wert des ursprünglich geltend gemachten Goldes auf 11.976,00 € festzusetzen.
13. März 2015

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